Mieterhöhungen: Wie Wohnungsunternehmen Lastschriftmandate missbrauchen

Zahlreiche Berliner Wohnungsunternehmen (darunter Core, Gehag, B. Philipp) haben per Lastschrift die neue Miete eingezogen, ohne dass die Mieter der Mieterhöhung zugestimmt hatten. Deutsche Wohnen und ADO haben ein solches Vorgehen mehrfach in ihren Mieterhöhungsverlangen angekündigt.

15. Novmeber 2019

Zahlreiche Wohnungsunternehmen wenden unlautere Methoden an, um ihre Mieterhöhungen durchzusetzen. Dem Mieterportal wenigermiete.de (jetzt CONNY, Anm. der Redaktion) liegen Fälle unter anderem von den Berliner Hausverwaltungen Core Immobilien, B. Philipp Hausverwaltung und Gehag vor, in denen das Lastschriftmandat genutzt wurde, um die erhöhte Miete einzuziehen, auch ohne die rechtlich notwendige Zustimmung durch den Mieter. Das Landgericht Stuttgart hat diese Praktik bereits im Jahr 2011 als klar unrechtmäßig verurteilt. Große Wohnungsunternehmen wie Deutsche Wohnen SE und ADO haben mehrfach schriftlich angekündigt, die Lastschrift für die erhöhte Miete zu nutzen, ohne darauf hinzuweisen, dass dies explizit nur mit Zustimmung erlaubt ist.

Es ist wirklich ganz erstaunlich, dass große, teilweise börsennotierte, Wohnungsunternehmen so vorgehen. Sie setzen sich über geltendes Recht hinweg, obwohl diese Unternehmen eine Armee von Anwälten und Rechtsexperten beschäftigen. Wir können uns das nur so erklären, dass diese Unternehmen ihren Macht- und Informationsvorteil zum Zwecke der Gewinnmaximierung ausnutzen wollen. Sie gehen davon aus, dass ihr systematisch widerrechtliches Vorgehen unentdeckt bleibt, dass sich Mieter ihrer Rechte nicht bewusst sind oder dass sie nicht die Mittel haben, ihre Rechte einzufordern. Daniel Halmer, Gründer und Geschäftsführer von wenigermiete.de

Unrechtmäßiger Lastschrifteinzug

Wenigermiete.de liegen zahlreiche Fälle von Berliner Wohnungsunternehmen vor, in denen die erhöhte Miete per Lastschrift eingezogen wurde Die Unternehmen wiesen zwar in ihren Mieterhöhungsverlangen ausdrücklich darauf hin, dass die Zustimmung nötig ist - trotzdem haben Sie ohne Vorliegen einer solchen Zustimmung die neue Miete per Lastschrift eingezogen.

Mehrere unserer Kunden haben uns darüber berichtet, dass von ihren Bankkonten die neue, erhöhte Miete per Lastschrift abgezogen wurde, obwohl sie niemals der Mieterhöhung zugestimmt haben. Insbesondere die drei Berliner Hausverwaltungen CORE und B. Philipp und Gehag fielen auf. Die Vermutung liegt nahe, dass das Vorgehen bei diesen Hausverwaltungen systematisch ist. Daniel Halmer, Gründer und Geschäftsführer von wenigermiete.de

Das Landgericht Stuttgart hat in diesem Sachverhalt vor einigen Jahren ein sehr klares Urteil gefällt: Ein Vermieter hatte drei Jahre lang per Lastschrift die neue Miete eingezogen, ohne dass der Mieter zugestimmt hatte. Mit der nächsten Mieterhöhung hat der Mieter dann die getätigten Einzüge zurückgefordert und vom Landgericht Recht bekommen. Der Vermieter sei bereits mit dem ersten Lastschrifteinzug vertragsbrüchig geworden und könne nicht davon ausgehen, die unrechtmäßig eingezogene Miete behalten zu dürfen.

Halmer dazu: 

Per Lastschrift die neue Miete einzuziehen, ohne vorher die ausdrückliche Zustimmung vom Mieter erhalten zu haben - das ist in etwa so, als würden Sie sich ungefragt Geld aus der Brieftasche eines Bekannten herausnehmen, nur weil die Brieftasche offen auf dem Wohnzimmertisch liegt. Rechtlich gesehen gilt Schweigen - abgesehen von wenigen Ausnahmen - nicht als eine Willenserklärung, im Gegenteil. Eine Zustimmung zur Mieterhöhung ist darin niemals zu sehen.

ADO und Deutsche Wohnen vermitteln den Eindruck, auch ohne Zustimmung die neue Miete einzuziehenAndere Wohnungsgesellschaften kündigten direkt oder indirekt die widerrechtliche Nutzung des Lastschriftmandats schriftlich an. Hier fielen auch große, börsennotierte Unternehmen wie Deutsche Wohnen auf.

Das mit knapp 24.000 Wohnungen zu Berlins größten Vermietern gehörende Wohnungsunternehmen ADO, nutzte in mehreren Fällen zum Beispiel folgende Formulierung: “Sollten Sie am Lastschriftverfahren teilnehmen, werden wir die erhöhte Miete ab dem 01.07.2019 von Ihrem Konto einziehen.”

Auch Deutschlands zweitgrößter Vermieter Deutsche Wohnen nutzte eine ähnliche Formulierung: Noch im Jahr 2017 wies das Unternehmen darauf hin, dass das Lastschriftmandat nur dann für den Einzug der neuen Miete genutzt werden kann, wenn der Mieter zustimmt: “Wir bitten Sie, Ihre Zustimmung auf dem vorbereiteten Formular mit der Unterschrift aller Vertragspartner bis zum 31.01.2018 zu bestätigen und diese Seite zurückzusenden. Dies gilt auch, wenn Sie uns für die Mietzahlung ein SEPA-Lastschriftmandat erteilt haben, da wir ohne Ihr Einverständnis die neue Miete nicht abbuchen dürfen.”

Dann hat offenbar ein Kurswechsel stattgefunden: In drei wenigermiete.de vorliegenden Fällen wurde gar nicht mehr darauf hingewiesen, dass eine Zustimmung notwendig ist. In knapp zehn weiteren Fällen wird zwar eine Zustimmung zur Mieterhöhung eingefordert, zugleich wurde aber der Einzug per Lastschrift angekündigt. Später im Jahr 2018 hat das Unternehmen die Ankündigung zur Nutzung des Lastschriftmandat wieder herausgenommen.

Unrechtmäßige Lastschrifteinzüge und behauptete stillschweigende Zustimmungen zu Mieterhöhungen sind ja nur die Spitze des Eisbergs. Auf unserer Website wenigermiete.de haben viele tausend Haushalte ihre Mietvertragsdaten und Mieterhöhungsverlangen prüfen lassen. Anhand der Daten sehen wir, dass die Verstoßquote aktuell sogar noch zunimmt. Mehr als jede zweite Mieterhöhung ist unrechtmäßig. Und mehr als drei von vier neu abgeschlossenen Mietverträgen verstoßen gegen die Mietpreisbremse. Daniel Halmer, Gründer und Geschäftsführer von wenigermiete.de

Besonders dreist ist ein Schreiben der Wohnungsgesellschaft Optima. Diese hat im August diesen Jahres im Mieterhöhungsschreiben mitgeteilt, dass sie bei Vorhandensein eines Lastschriftmandats von einer stillschweigenden Zustimmung ausgehen, sollte der Mieterhöhung nicht schriftlich widersprochen werden (Optima 1). Das Unternehmen hat also den Grundsatz der Zustimmungspflicht einfach umgedreht: "(...) für den Fall, dass uns eine Einzugsermächtigung vorliegt - [Sie] dem Einzug des Erhöhungsbetrages nicht schriftlich widersprechen, werden wir von Ihrer stillschweigenden Zustimmung zur Mieterhöhung ausgehen."

Halmer sieht die Formulierungen der Wohnungsunternehmen als Einschüchterungsversuch:

Diese Wohnungsunternehmen üben einen immensen Druck auf Mieter aus, den Mieterhöhungen zuzustimmen. Oft klingen diese Mieterhöhungen so, als gebe es sowieso keine andere Alternative. Und als wüssten die Wohnungsunternehmen besser, was rechtens und was unrecht ist. Dabei zeigen unsere Daten klar, dass jede zweite Mieterhöhung nicht rechtmäßig ist und abgewehrt werden kann.

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