Mietspiegel umgangen: Wie Wohnungsunternehmen versuchen, die Mietpreisbremse auszuhebeln

Das Mieterportal wenigermiete.de hat in hunderten gerichtlichen Verfahren unterschiedlichste Versuche von Vermietern abgewehrt, die Mietpreisbremse zu umgehen. Die häufigsten und ungewöhnlichsten Tricks hat das Portal nun zusammengefasst.

Berlin, 03. Januar 2020

Seit Anfang 2017 ziehen wir für Mieter vor Gericht, um per Mietpreisbremse ihre Miete zu senken. Dabei werden uns immer wieder ganz erstaunliche neue Argumente präsentiert, warum das Gesetz nicht gelten soll: Mietverträge mit unrechtmäßigen Klauseln oder Nachträgen, gefälschte Vormietverträge oder falsche Angaben zur Wohnung. Ganz offenbar laufen Vermieter zu höchster Kreativität auf, wenn sie erklären müssen, warum die Mietpreisbremse ausgerechnet für ihren Mieter nicht gelten soll. Richtig und wichtig ist: Egal ob Möblierung, WG oder Modernisierung - die Mietpreisbremse gilt für weitaus mehr Wohnungen, als viele Mieter denken. Philipp Hinz, Sprecher von wenigermiete.de

Gewerbliche Nutzung: Im Mietvertrag wird ungefragt gewerbliche Nutzung mit eingetragen

Für gewerblich genutzte Flächen gilt die Mietpreisbremse nicht. Einige Vermieter probieren daher, im Mietvertrag einen Raum zur teilgewerblichen Nutzung zuzulassen. Häufig wird dann zum Beispiel in einem Nebensatz die gewerbliche Nutzung eines Zimmers eingetragen, ohne dass dies von den Mietern angefragt wurde. Die Mieter wissen das meist gar nicht, weil sie sich den Mietvertrag nicht im Detail durchlesen. Oder sie sind sich der Bedeutung dieses Zusatzes - nämlich der Verlust des strengen Schutzes den das Wohnraummietrecht gewährleistet - nicht im Klaren. Der Vermieter versucht sich dann im Falle eine Mietpreisbremsen-Klage darauf zu berufen, das der Mieter die Wohnung auch gewerblich nutzt. Wenn der Mieter aber glaubhaft darlegen kann, dass er kein Gewerbe hat, welches er in der Wohnung ausübt und dies auch bei Vertragsschluss nicht gewünscht hat, ist dieser Versuch oft leicht zu entkräften.

Vormietverträge: Vormietvertrag wird zur Rechtfertigung einer illegalen Wuchermiete herangezogen

Unter Mietern hält sich das Gerücht, dass die Mietpreisbremse nicht herangezogen werden kann, wenn bereits der Vormietvertrag dieselbe Miethöhe hatte. Dies trifft aber nur zu, wenn der Vormietvertrag vor der Einführung der Mietpreisbremse geschlossen wurde (vor Sommer 2015) - andernfalls war bereits der Vormietvertrag illegal und ist bildet dann keine legitime Ausnahme. Einige Wohnungsunternehmen nutzen das Unwissen der Mieter aus und präsentieren ihren Mietern einfach irgendwelche Vormietverträge mit entsprechender Miethöhe, auch wenn diese nach Sommer 2015 geschlossen wurden. Besonders sticht das Wohnungsunternehmen Gabriel International heraus, das selbst vor Gericht immer noch diese Masche bemüht und (in der Regel) damit scheitern. In einem Fall, in dem besonders erbittert um die Vormiete gestritten wurde, drohte der Rechtsanwalt von Gabriel International sogar mit einer Strafanzeige gegen die Mieter: Der Anwalt hat mehrfach und wiederholt vorgetragen, dass der nach 2015 geschlossene Vormietvertrag hier keine Ausnahme von der Mietpreisbremse darstelle.

Wohnwerterhöhende Merkmale Deutschlands größter Vermieter gaukelt Behindertenfreundlichkeit vor, um Miete weiter zu erhöhen

Deutschlands größter Vermieter Vonovia ist immer wieder mit Skandal-Schlagzeilen in den Medien. Im Fall der folgenden Studentenwohnung könnte man der Mieterhöhung gar betrügerische Absichten unterstellen: Die Wohnung lag mit 327 Euro Kaltmiete auf 38 Quadratmetern im Berliner “Problembezirk” Wedding sowieso schon knapp 10% über dem ortsüblichen Mittel. Vonovia war das nicht genug. Um eine weitere Mieterhöhung zu rechtfertigen, führte Vonovia eine Reihe wohnwerterhöhender Merkmalen an. Darunter: “Hochwertige Fliesen in gutem Zustand”, tatsächlich die zweitbilligsten aus dem Baumarkt in abgenutztem Zustand. “Aufwendige Decken- oder Wandverkleidung (z.B. Stuck, Täfelungen) in gutem Zustand in der überwiegenden Anzahl der Räume”? Tatsächlich findet sich nur in einem Raum ein bisschen Stuck und der bröckelte bereits von der Decke. Aber der Höhepunkt der falschen Behauptungen: Die Wohnung sei barrierearm. Klar dagegen sprechen allerdings die Fotos, eine 6cm Schwelle zwischen Wohnzimmer und Flur zeigen. Wie soll da ein Rollstuhlfahrer darüber? Nicht genug, dass die Vonovia einem Studenten in Wedding fiktive wohnwerterhöhende Merkmal zuschreiben wollte. Vonovia war sich auch nicht zu schade, den Fall selbst (!) zu Gericht zu tragen, um die Mieterhöhung per Klage durchzudrücken. Der Student wendete sich an wenigermiete.de und Vonovia hat den Prozess verloren. Bezeichnend ist, dass Vonovia wegen ein einiger Euro alle rechtlichen Mittel ergreift, um die Miete zu erhöhen, obwohl sich das Unternehmen ganz offensichtlich im Unrecht befand. In vielen Fällen, in denen es um geringe Beträge geht, knicken die Mieter spätestens dann ein, wenn eine Klage vom Amtsgericht per Post eingeht. Weil sie sich mit einem Rechtsstreit nicht auseinandersetzen wollen, wird dann alles schnell unterschrieben. Diese Taktik wird nicht nur von Vonovia, sondern auch anderen großen börsennotierten Unternehmen angewendet.

Doppelverträge: Mietern wird angeboten, per Nachtrag “freiwillig” mehr zu zahlen

Deutsche Wohnen - der mit über 160.000 Wohnungen zweitgrößte Vermieter Deutschlands hat in mehreren Fällen versucht, für die Neuvermietung einer Wohnung gleichzeitig zwei Verträge abzuschließen. Zuerst unterschreiben die Mieter einen normalen Mietvertrag, in dem die Miete etwa auf dem höchstmöglichen Niveau des Mietspiegels liegt. Direkt danach, oft am selben Tag, unterschreiben die neuen Mieter einen Zusatzvertrag, in dem mehrere hundert Euro auf die Miete draufgeschlagen werden - für geplante, noch nicht durchgeführte Modernisierungen. Diese Praxis zur Aushebelung der Mietpreisbremse ist unrechtmäßig, wie nun das Landgericht in zweiter Instanz befand. Umfassende Modernisierungen Künstlich aufgeblasene Kosten sollen Luxussanierung rechtfertigen Zahlreiche Vermieter behaupten, ihre Wohnungen wurden umfassend saniert und sind deshalb von der Mietpreisbremse “befreit”. Dafür müssen 1⁄3 der Neubaukosten oder mindestens 600 - 800€ pro Quadratmeter ausgegeben worden sein. Die Eigentümer müssen eine glaubhafte Kostenaufstellung einreichen, um das zu belegen. Das “Luxussanieren” hat vor allem Akelius als Geschäftsmodell für sich erkannt, welche vor allem kleine Wohnungen häufig mit luxuriöser Ausstattung versehen, um hohe Mieten von oft über 20 Euro pro Quadratmeter aufzurufen. Liegt kein eindeutiger Fall einer umfassenden Sanierung vor, wird häufig versucht, die Kosten künstlich aufzublähen, um tatsächlich auf den entsprechenden Betrag zu kommen. Zum Beispiel werden sogenannte Architekten- und Bauplanungsleistungen mit enorm hohen Stundensätzen selbst für die Ausführung einfacher Arbeiten angesetzt, ohne das hierfür nachvollzogen werden kann, ob es sich überhaupt um eine notwendige “Architektenleistung” handelt. Außerdem werden oft Kosten angesetzt, die kein wohnwerterhöhende Merkmal darstellen, sondern lediglich eine Update auf den aktuellen Mindeststandard. In vielen alten Wohnungen fehlt bspw. ein FI-Schalter. Der Einbau ist aber notwendig, um die Wohnung auf den heutigen Sicherheitsstandard zu bringen (eine sichere Elektronik zu gewährleisten) und sollte in der Aufstellung einer “umfassenden Modernisierung” nicht auftauchen, weil er selbstverständlich ist. Im Fall einer Wohnung in der Weisestr. in Berlin Neukölln gelang es wenigermiete.de zu zeigen, dass keine umfassende Modernisierung vorlag. Die Richter stimmten zu, dass der Vermieter keine Ausnahme geltend machen kann und die 83 Quadratmeter große Wohnung unter die Mietpreisbremse fällt. Per Vergleich konnte die Miete um 180,34 Euro von 1100 Euro auf 919 Euro gesenkt werden. Möblierungen Mythos enttarnt: Auch für Möblierungen gilt die Mietpreisbremse Vor allem Privatvermieter denken, möblierte Wohnungen sind von der Mietpreisbremse ausgeschlossen. Dem ist nicht so. Es darf lediglich ein Möblierungszuschlag erhoben werden. In Berlin werden dafür 2 Prozent vom Zeitwert pro Monat angesetzt. Wenn ein Vermieter für 10.000 Euro neuwertige Möbel angeschafft und zur Verfügung gestellt hat, wären das also 200 Euro im Monat zusätzlich. Viele Vermieter setzen viel zu hohe Möberlierungszuschläge an und begründen diese nicht ausreichend. Es kam sogar schon vor, dass Vermieter sich auf einen völlig überzogenen Möblierungszuschlag berufen haben, obwohl vertraglich festgehalten war, dass die vorhandenen Möbel durch die Mieter gar nicht genutzt werden. Im Fall einer Wohnung am Maybachufer konnte wenigermiete.de so die Miete per Vergleich von 800 auf 600 Euro senken (gefordert war eine Absenkung auf 535 Euro).

Befristungen: Vorgeschobene oder unbegründete Befristungen schützen nicht vor der Mietpreisbremse

Befristete Mietverhältnisse sind von der Mietpreisbremse ausgenommen. Die Befristung hat zudem den Effekt, dass die Abhängigkeit des Mieters vom Vermieter auf dessen Gutwillen zur Verlängerung des Mietvertrags noch steigt und dieser daher gar nicht erst in Erwägung zieht, die Mietpreisbremse zu nutzen. Was Mieter oft nicht wissen: Befristungen sind nicht selten ungültig/unwirksam. Wenn die folgende Reihe von Kriterien nicht eingehalten wird, kann die Gültigkeit der Befristung angefochten und die Mietpreisbremse anschließend trotzdem anwendet werden:

  • Die Befristungen muss begründet sein. Hier reicht eine einfache Begründung, z.B. der beruflich nur vorübergehende Aufenthalt des Mieters oder der spätere Eigennutzungsbedarf durch den Vermieter (oders eine Angehörigen).
  • Wenn einem Mieter zwei oder drei mal nacheinander eine Befristung vorgelegt wird, dann liegt die Vermutung nahe, dass die Begründung nur vorgeschoben ist. Dann kann die Befristung gegebenenfalls als unwirksam erklärt werden.

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