Legal-Tech-Regulierung: Wagniskapitalgeber Earlybird positioniert sich im Vorfeld der BGH-Entscheidung
Mit flightright, myright, casecheck, helpcheck und CONNY, zum Zeitpunkt noch wenigermiete.de, erlebt Deutschland gerade ein Legal-Tech-Momentum. Allerdings gibt es unterschiedliche Bestrebungen, diese Unternehmen zu (über-)regulieren - die FAZ (van Lijnden) berichtete heute morgen dazu hier. Kein Wunder, denn diese Unternehmen haben etablierte Gegenspieler: Die Automobilkonzerne haben es auf Myright abgesehen, das Ansprüche aus dem Diesel-Skandal durchsetzen will. CONNY steht im Fadenkreuz der Immobilienkonzerne. Und die Rechtsanwaltskammer bemüht sich gegen Legal Tech ganz allgemein.
Nun hat sich auch Fabian Heilemann, Partner beim Wagniskapitalgeber Earlybird dazu geäußert. In seinem Kommentar unterbreitet er einen Vorschlag zur Regulierung, der es für "Venture Capital" attraktiv machen würde, in die deutsche Legal-Tech-Industrie zu investieren (deutsche Version siehe unten).Ein sicherer Rechtsrahmen und Wagniskapitalinvestitionen sind dringend notwendig - sonst wird Deutschland wie auch schon beim Thema Digitale Gesundheit den Anschluss verlieren. Ein Blick auf die Finanzierungsrunden von Legal-Tech-Startups in den ersten drei Quartalen 2019 gibt einen bitteren Vorgeschmack: Insgesamt wurden 1,1 Billionen Euro investiert - allerdings nur ein verschwindend geringer Bruchteil davon in deutsche Unternehmen.In diesem Kontext wird auch die morgige Entscheidung vom Bundesgerichtshof mit Spannung erwartet (AFP berichtet vorab).
Deutsche Übersetzung: Legal Tech in Deutschland: Warum ein wichtiges Zukunftsfeld jetzt gefördert werden muss
Viele Bereiche des Lebens hat die Digitalisierung bereits verändert – vom Einkaufen, über das Bezahlen bis hin zur Medizin. Nicht alles, was neu ist, bedeutet Mehrwert für viele.
Klar ist: Damit Digitalisierung funktioniert und einen Mehrwert bieten kann, braucht es einen funktionierenden ja konstruktiven Rechtsrahmen, der möglichst vielen Interessengruppen gerecht wird. Doch manchmal wird, gerade in Deutschland, digitale Zukunft ausgebremst und durch Überregulierung beschränkt, die nur wenige Interessengruppen im Blick hat.
Derzeit deutet sich eine solche Entwicklung auch im Bereich des Legal Tech an, also der Digitalisierung von Angeboten, die sich mit dem Bereich Recht und Verbraucherschutz befassen. Das wird deutlich, in dem Eckpunktepapier des Bundesjustizministeriums. Dort ist der Entschluss festgehalten, dass Portale mit digitalen Rechtsdienstleistungen, von Anwälten geführt werden sollten. Vereinfacht gesagt, statt Start-ups zu erlauben, was Anwälte tun, will man Anwälten erlauben, was Start-ups tun.
Gleichzeitig wird in dem Papier eine Lockerung des Fremdbesitzverbotes (das Aufnehmen von Investorengeldern durch Kanzleien) angesprochen, ohne jedoch konkret zu werden, was genau damit gemeint ist. Das Erfolgshonorar von Anwälten wird nicht besprochen. Im Gegensatz hierzu wird die Erlaubnis von Erfolgshonoraren im Papier der Justizministerkonferenz (JuMiKo Papier) diskutiert, jedoch ohne eine Lockerung des Fremdbesitzverbotes zu behandeln. Earlybird hat erst vor Kurzem gemeinsam mit einem anderen internationalen Wagniskapitalgeber, in das Legal Tech-Unternehmen LexFox (jetzt Conny GmbH, Anm. d. Conny GmbH) investiert.
Es ist die erste Investition internationaler VCs in ein deutsches Legal Tech-Unternehmen – und steht damit auch beispielhaft für einen Trend, in dem Deutschland bereits heute hinterherhängt: Im Jahr 2018 haben sich global die Investitionen in Legal Tech im Vergleich zum Vorjahr versiebenfacht (Forbes) und allein in den ersten drei Quartalen diesen Jahres wurden bereits mehr als 1,1 Milliarden Euro in Legal Tech Start-ups investiert (Law Sites Blog). Davon könnte und sollte in Zukunft mehr nach Deutschland fließen.
LexFox bietet Verbrauchern Hilfestellungen in verschiedenen Bereichen: Mit dem Online-Portal conny.legal können Nutzer hier etwa bei Mieterhöhungen Hilfestellung finden, in dem LexFox ihre Ansprüche gegenüber dem Vermieter geltend machen. Ähnlich verfahren auch die Angebote von LexFox „mehrabfindung.de “ und „weniger-internetkosten.de “, die nun mit in CONNY enthalten sind. Sie alle haben gemein, dass sie den Verbraucher mündiger machen und ihm in oft mühsamen und zeitaufwendigen Verfahren Unterstützung anbieten. Gleichzeitig nehmen sie ihm das Kostenrisiko ab – der entscheidende Mehrwert für den Kunden.
Trotz der aktuellen regulatorischen Diskussion haben wir in LexFox investiert, da wir darauf vertrauen, dass es uns in Deutschland gelingen kann, eine belastbare Rechtsgrundlage für Legal Tech-Unternehmen zu schaffen.Im Rahmen der Investition hat sich Earlybird sowohl mit dem bereits oben genannten Eckpunktepapier, dem JuMiKo Papier sowie mit dem Vorschlag der FDP-Bundestagsfraktion für ein Legal Tech-Gesetz auseinandergesetzt. Als Wagniskapitalgeber sind wir Teil des hiesigen Start-up-Ökosystems und möchten als solcher einen Beitrag zu dieser grundlegenden und wegweisenden Diskussion leisten:
- Legal Tech ist nicht nur ein Geschäftsmodell, sondern ein wichtiger Baustein eines modernen RechtsstaatesVerbraucherrechte werden aktuell kaum durchgesetzt, da sowohl die Kosten als auch der persönliche Aufwand der Rechtsdurchsetzung, durch einen traditionellen Rechtsanwalt, sehr hoch sind. Earlybird sieht darin eine existenzielle Herausforderung des Rechtsstaates und ist daher der Meinung, dass der Staat die Voraussetzungen eines praktikablen Rechtsschutzes schaffen muss.
- Legal Tech ist nicht nur ein Geschäftsmodell, sondern ein wichtiger Baustein eines modernen RechtsstaatesLegal Tech-Angebote, wie die von LexFox nehmen dem Rechtssuchenden Kosten und persönlichen Aufwand ab, da die Aufnahme des Sachverhalts sowie die anschließende Rechtsdurchsetzung (bzw. -abwehr) gegenüber der Gegenseite standardisiert und automatisiert abgewickelt werden kann und auf Basis von Erfolgshonoraren arbeitet. Dies ist nur durch eine spezialisierte Software sowie darauf abgestimmte Aufbau- und Ablauforganisationen möglich. Der Aufbau und die Weiterentwicklung dieser technologischen Plattform bedürfen hohen Investitionen, auch um beispielsweise in internationale Märkte zu expandieren sowie technologische Neuerungen und aktuelle rechtliche Entwicklungen abzubilden. Ohne das entsprechende Kapital ist das nicht möglich.
- Wagniskapital ist Geld auf Zeit – bis zum Exit Die Mittel, die Earlybird als Wagniskapitalfirma verwaltet, stammen von institutionellen Investoren, wie zum Beispiel Pensionskassen, Banken und Versicherungen oder Family Offices. Die Gelder sind in Fonds gebunden, die in der Regel eine bestimmte Laufzeit haben. Nach Ende dieser Laufzeit müssen die Erlöse der Investitionstätigkeit an die Geldgeber zurückgezahlt werden. Voraussetzung dafür ist, dass der Fonds seine Beteiligungen an den Unternehmen innerhalb dieser Zeit verkaufen kann (sogenannter Exit). Die Möglichkeit eines Exits ist integraler Bestandteil des Venture Capital-Geschäftsmodells.
Daraus lassen sich konkrete Schlussfolgerungen für die Regulierung von Legal Tech Unternehmen ableiten
- Legal Tech-Unternehmen müssen in der Lage sein und bleiben, automatisierte Rechtsdienstleistungen an Verbraucher gegen Erfolgshonorar zu erbringen. Eine Beschränkung auf eine reine Inkassotätigkeit ist hierfür nicht zielführend, da es hier unter anderem rechtliche Unsicherheiten in Bezug auf die Reichweite der Inkassolizenz gibt. Sollte das anwaltliche Berufsrecht nicht so umgestaltet werden können, dass es für Legal Techs „funktioniert“, so sollte zumindest ein neuer Tatbestand für die Erbringung automatisierter Rechtsdienstleitungen geschaffen werden.
- Gemäß des Eckpunktepapiers soll auf der einen Seite geprüft werden, ob reine Kapitalbeteiligungen an Rechtsanwaltsgesellschaften mit dem Ziel erlaubt werden können, alternative Finanzierungswege zu eröffnen (wie beispielsweise im Rahmen von Legal Tech hohe Anfangsinvestitionen), auf der anderen Seite soll aber gemäß des JuMiKo Papiers zugleich daran festgehalten werden, dass Kanzleien keine Investorengelder aufnehmen können (Fremdbesitzverbot). Das hätte zur Folge, dass es dabei zu einer Beschränkung der Exit-Möglichkeiten kommen könnte. Dies wiederum würde die Investition in deutsche Legal Tech-Unternehmen aus Sicht des Wagniskapitalgebers dann unattraktiv erscheinen lassen. Sollte es aus Sicht des Gesetzgebers notwendig erscheinen, die anwaltliche Unabhängigkeit auch bei einem Eigentümerwechsel sicherzustellen, wäre etwa vorstellbar, dass eine Art Inhaberkontrollverfahren eingeführt wird. Dies wäre eine zumindest akzeptable Lösung für Wagniskapitalgeber, weil die grundsätzliche Möglichkeit eines Exits erhalten bliebe.
- Aus Sicht von Earlybird ist zudem die Zulassung der Vereinbarung von Erfolgshonoraren für Anwälte zwingend notwendig. In diesem Sinne spricht sich auch die Justizministerkonferenz aus.
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